Albrecht Dürer, ALEXANDER DER GROßE BEI DEN ORAKELBÄUMEN ("Reiter und Landsknecht"), Holzschnitt, ca. 1496, Museen der Stadt Aschaffenburg, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. D 5/46
Albrecht Dürer: ALEXANDER DER GROßE BEI DEN ORAKELBÄUMEN
Der vorzügliche Druck aus der Graphischen Sammlung der städtischen Museen war noch niemals öffentlich ausgestellt und ist über ein halbes Jahrtausend hinweg fast makellos erhalten geblieben. Er zeigt Dürers einsame Meisterschaft als führender Künstler Europas in der Technik des Holzschnitts. Aber was stellt das Kunstwerk eigentlich dar?
Gefolgt von einem Soldaten sprengt da ein vornehmer Herr hoch zu Ross auf eine Baumgruppe zu. Das ist vermeintlich alles, und so wurde der Holzschnitt immer als belanglose Alltagsszene abgetan – reichlich unbefriedigend bei einem so aufwendigen Blatt.
Erst der Blick in die spätmittelalterliche „Bestseller“-Literatur hilft hier weiter: In Johannes Hartliebs Roman von Alexander dem Großen, der schon um 1480 gedruckt vorlag, findet sich als Höhepunkt der Handlung die Szene, wie der Welteroberer in Indien an zwei weissagende Bäume gelangt. Diese nun prophezeien dem erfolgsverwöhnten Feldherrn, dass er seine Heimat niemals wiedersehen und schmählich ermordet werde – ein Sinnbild für die bestrafte menschliche Hybris. Ein „großes“ Thema also, und für Dürer natürlich weitaus lohnender als eine simple Alltags-Szene.
Wie aber war der Künstler auf dieses entlegene Bildmotiv gestoßen? Höchstwahrscheinlich durch einen der damals ganz Großen unter den deutschen Dichtern und Denkern, den Dichter und Gelehrten Konrad Celtis (1459–1508). Er war als einer der führenden Köpfe des Humanismus, der großen geistigen Reformbewegung um 1500, fast so etwas wie ein Kulturpolitiker. Und weil er der Ansicht war, dass hochgeistige Publikationen auch angemessen illustriert sein sollten, kam ihm der junge Dürer natürlich gerade recht. Denn soeben war in Nürnberg die „Poetenschule“ als eine Art Reformgymnasium gegründet worden, zu dessen Programmatik auch die Ermunterung zu großen Reisen gehörte – und wer verkörperte dies besser als der Welteroberer Alexander der Große?
01.12.2021 bis 27.02.2022